Erst gestern hatte ich wieder ein Kind in der Praxis:
2 Jahre, er geht erst seit kurzer Zeit und das Gehen ist noch sehr wackelig.
Immer und überall bekommt die Mutter zu hören, wie es zu sein hat und was die "Anforderung" an ihr Kind sind. Aber wer bestimmt denn bitte, was normal ist und was nicht?
Dabei macht dieses Kind (und viele andere, die ich schon gesehen habe) genau das Richtige und ich habe ihn die ganze Zeit dafür "gelobt" und gefeiert. Ich habe auch versucht, die Mutter darin zu bestärken, ihn so sein zu lassen, wie er eben ist.
Es zeigt sich eine Fußfehlstellung und er bewegt sich den ganzen Tag im Kniegang von A nach B.
Wie intelligent ist das denn bitte: Er "schaltet (durch den Kniegang) seine Füße aus", die eben noch nicht optimal funktionieren und kräftigt trotzdem seine Muskulatur, die für die optimale Aufrichtung wichtig ist. Denn im Kniegang wird die Gesäßmuskulatur besser angesprochen als im vorgebeugten unsicheren Gang.
Ein sicherer Gang braucht einen kräftigen Rumpf und den Rumpf trainiert das Kind eher am Boden, beim Krabbeln als in der Vertikale, in der das Kind herum schwankt und Ausweichbewegungen macht.
Du trainierst gehen nicht mit gehen, sondern indem du dein Kind am Boden sein oder ihr Ding machen lässt. Es braucht nicht 10.000 Spielzeuge, sondern einfach Geduld und Vertrauen.
Für die Gesellschaft scheint immer das Wichtigste, dass ein Kind auf seinen Füßen steht ... und daher bekommt die Mutter ständig zu hören: "Warum geht er denn noch nicht?"
Ich finde aber eine gesunde Entwicklung VOR dem Gehen genauso wichtig und es gibt eben Kinder, die ein bisschen mehr Zeit brauchen. Genau diese Kinder sind es dann aber, die "plötzlich" von einem Tag auf den anderen aufstehen und losgehen. Und es hat genau jeden Trainingstag vorher gebraucht.
Jedes Eingreifen und es schneller-machen-wollen ist sehr kontraproduktiv und schadet dem Kind mehr als dass es unterstützt.
Ich unterstelle niemandem, dass er oder sie dem Kind schaden möchte - ich möchte nur immer wieder zur Entschleunigung aufrufen. Ich habe schon einen anderen Artikel darüber geschrieben, weil ich das immer öfter in der Praxis sehe.
Vertraut der Intelligenz eurer Kinder und lasst ihnen einfach die Zeit, die sie brauchen.
P.s. wenn die Verwandten dumme Frage stellen, dass überleg dir für die Zukunft einfach einen guten Spruch!
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Jessica (Montag, 05 Juni 2023 10:51)
Was für ein wundervoller Artikel. Genau so ist es. Kinder sind intelligent und wissen wann sie welche Bewegungen machen. So geschieht alles, für das Kind, zum richtigen Zeitpunkt. Und es ist viel wichtiger die Bewegungsqualität zu sehen, statt der Quantität. Bei Kindern gilt nicht immer: Je früher, desto besser. Leider ist das in der Gesellschaft oft noch nicht angekommen.